„Eggerts, wir müssen reden!“ - Heute: Ausstieg aus der Ameisenmühle

Die Ameisenmühle: Eine Metapher für Systemverharrung im deutschen Bildungssystem

Die Ameisenmühle ist ein faszinierendes und zugleich erschreckendes Phänomen: Ameisen folgen stur den Pheromonspuren ihrer Vorgänger. Manchmal verliert sich eine Ameisengruppe von der Hauptgruppe und sie folgen einander schließlich im Kreis. Infolge der Ameisenmühle entsteht eine geschlossene Kreisbewegung ohne externen Korrekturmechanismus. Bei dieser "Todesspirale" wird den Ameisen ihre Konditionierung zum Verhängnis: Die Tiere können den Kreislauf nicht verlassen, da ihr Orientierungssystem selbstreferenziell funktioniert und keine externe Korrektur erfolgt. Schließlich sterben sie vor Erschöpfung. In der Mitte stapeln sich die toten Ameisen.

Das schaut dann (sehr eindrucksvoll) wie folgt aus: https://lnkd.in/eefSZ4Z4

Eine treffende Metapher für soziale, wirtschaftliche oder politische Systeme, die sich in einer Endlosschleife verfangen haben und kaum noch Raum für Erneuerung bieten.

Besonders gut lässt sich dieses Bild auf das deutsche Bildungssystem übertragen. Hier existieren jahrzehntealte Strukturen, die sich immer wieder selbst bestätigen und gegen Veränderungen immun scheinen. Doch was genau bedeutet das? Und wie können wir die Ameisenmühle durchbrechen?

Im Bildungssystem zeigt sich dieses Muster in den festgefahrenen Strukturen von uneigentlicher Konfliktbearbeitung, Lehrplänen, Prüfungssystemen und Bewertungsmechanismen. Schulen, Lehrkräfte und Behörden orientieren sich an jahrzehntealten Prinzipien, die aber zunehmend hinterfragt werden.

Und aus dieser Mühle gibt es im schlechten Fall keinen individuellen Ausbruch, weil das Verhalten des Einzelnen durch das konditionierte Gesamtverhalten bestimmt wird. Es entsteht die Illusion von Dynamik und Zielgerichtetheit. In der Bildungspolitik gibt es Reformversuche, Diskussionen und Programme, doch viele dieser Maßnahmen drehen sich um sich selbst, statt echte Innovation zu bringen. Digitale Bildung wird etwa gefördert, doch oft nur in Form von Tablets in den Klassenzimmern – ohne tiefgreifende Änderungen in Lehrmethoden oder Schulorganisation. Der Fortschritt bleibt oberflächlich, der Energieaufwand für eine Kurskorrektur steigt, da der „Pfad der Gewohnheit“ immer tiefer wird. Auch das Bildungssystem leidet unter solchen Lock-in-Effekten. Lehrpläne und Strukturen wurden in einer anderen Zeit geschaffen und sind heute oft nicht mehr zeitgemäß.

Die Realität überholt Schulen da gerade temporeich, z.B. in Fragen der Sexualität, der Medienwirklichkeit und der Auseinandersetzung mit dem Thema „rechtes Wording“.

In der Bildung zeigt sich Erschöpfung in den hohen Belastungen der Lehrkräfte, in der Frustration vieler Schülerinnen und Schüler und im wachsenden Unmut über ineffektive Strukturen. Das System ist überlastet, doch statt grundlegender Veränderungen gibt es nur kurzfristige Lösungsversuche.

Ein Lösungsansatz: Die Kommunikationsanalyse nach Gitta Peyn und ihrem

Formweltinstitut: https://formwelt.info/de

Um gelingende Kommunikation zu schaffen, die Konflikte kreativer nutzt und ihre Potenziale synergetisch ausbaut, muss Kommunikation anfangen, sich selbst zu reflektieren, z.B. mit der Frage:

Warum überführt sich manche Kommunikation nicht in Kreativität, sondern in Monotonie und Polarisierung?

Leitfragen auf der Ebene der Einzelschule (wo die Wucht der Probleme allerdings nicht alleine abzuhandeln ist!):

  • Wie erhält sich das Kommunikationssystem? Gibt es Konditionierungen? Welche Muster prägen die Systeme, in denen Sie sich bewegen?

  • Wofür wird Aufmerksamkeit geschaffen, und welche Wirklichkeiten entstehen daraus?

  • Wer konstruiert ein Problem als Problem – oder eine Lösung als Lösung?

  • Wo in den Kommunikationssystemen von Schulen gibt es noch Spielraum für Aushandlungen?

Viele Schulstrukturen sind festgefahrene Kommunikationsmuster, die oft unbewusst weitergeführt werden. Ein System, das sich selbst nicht reflektiert, bleibt gefangen in seinen Mustern. Deshalb ist der erste Schritt, zu einer reflektierten FORM zu gelangen. Das bedeutet anfänglich vielleicht “nur” (und ist doch viel wert):

Konfliktparteien hören sich noch nicht aktiv zu, aber sie nehmen zumindest wahr, dass der andere ebenfalls eine Handlung ausführen kann.

Notabene: Treffe ich auf eine Schule, die von sich behauptet, sie habe überhaupt keine Konflikte, gilt es schon mal, skeptisch zu werden.

Das System wird sich seiner eigenen Kommunikationsstrukturen bewusst und erkennt, dass die andere Seite ebenso Einfluss auf den Verlauf hat. Dieser Perspektivwechsel kann ein erster Schritt zur Veränderung sein, indem es die Erwartungen der Beteiligten an Kommunikation verändert. Beispielhafte Fragen zur Neuorientierung:

  • Wie sieht das System aus, das wir haben wollen?

  • Wie können wir dieses System erreichen?

  • Welche neuen Kommunikationsformen müssen wir etablieren, um unser Ziel zu erreichen?

Wenn Schulen langfristig funktionierende Kommunikationssysteme etablieren wollen, müssen sie bewusst darauf achten, wie sie diese Systeme organisieren und aufrechterhalten. Ein systemischer Wandel beginnt also nicht mit der bloßen Veränderung von Inhalten (z.B. Beispiel mit Fortbildungen zu Themen wie wertschätzende Kommunikation oder Feedbackkultur, obgleich problematische Muster woanders liegen - oder mit der ewigen Schleife, in der Kollegium und Schulleitung sich wechselseitig die Verantwortung für Probleme zuschreiben), sondern mit der Analyse der KommunikationsFORM. Indem wir bewusster darauf achten, welche Form von Kommunikation wir in unseren Schulen nutzen, können wir den Grundstein für nachhaltige Veränderung legen. Dazu gehören auch:

  • eine bessere Einbindung von Wissenschaft: Aktuelle Forschungsergebnisse sollten schneller in die Praxis einfließen.

  • eine offene Diskussionskultur: Mehr Mut zur Debatte über neue Wege, ohne Angst vor ideologischen Grabenkämpfen.

Erst wenn die Form der Kommunikation analysiert ist, kann man zu weiteren Instrumenten übergehen und mit Transaktionsanalyse (zur Analyse von Rollen, Erwartungen und Mustern in der Kommunikation), Gruppendynamik (um Interaktionsprozesse in Teams und Gremien zu verstehen und gezielt zu beeinflussen) oder ähnlichem arbeiten.

Also: Erst die soziale Architektur danach in die Inhalte. 

Links:

https://www.carl-auer.de/magazin/systemzeit/systemische-kommunikation-in-metakrisen-und-wirklichkeitsemulation

https://blog-conny-dethloff.de/?p=48109

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